Wie damit umgehen?
25. November 2014
Von Fabian Stark
Das TONIC Plakat N°1 ist seit heute öffentlich. Sein Thema ist nicht – einfach. Gelinde gesagt. Schriftsteller Akif Pirinçci rüpelte seine steilen Thesen, für uns als Redaktion war das Material. Doch wie sollten wir sie verwerten? Eine Suche.
Das TONIC Plakat N°1, Vorderseite
Bild: Bastian Preussger/TONIC

„Mich interessieren Menschen, die polarisieren. (...) Das heißt indes nicht, dass ich mich mit den Ansichten meines Gesprächspartners gemein mache“, meint Autor Marcus Ertle. Für das TONIC Plakat N°1 drucken wir sein Gespräch mit Akif Pirinçci: keine einfache Person, da sind wir uns einig.
Der Schriftsteller Pirinçci kam 1969 mit seinen Eltern aus der Türkei nach Deutschland. Mit Katzenkrimis wurde er bekannt, weiter ging es mit Tiraden gegen Schwulenlobby, Gender-Mainstream, Sozialschmarotzer, die dazu noch meist Asylanten und/oder Muslime seien. Das alles goss er in sein Buch Deutschland von Sinnen, das im März dieses Jahres erschien.
Marcus schickte uns das Interview. Wir lasen und lachten, so abstrus neben der Spur fanden wir das: Während Thilo Sarrazin versucht, seine Feindseligkeit auf ein Potpourri von Statistiken zu bauen, entlarven sich Pirinçcis Passagen schon ohne dass man Quellen folgen müsste – es gibt keine. Andererseits wissen wir, dass Pirinçcis Weltsicht Anklang findet. Einer Polemik gegen die Genderforscherin Elisabeth Tuider folgten im Juli Mord- und Vergewaltigungsaufrufe durch Pirinçci-Fans. Neben unserem Lachen beklemmte uns der Text, denn wir wussten: Dieser Populismus läuft wie geschmiert. Wie also damit umgehen?
„Richtige“ Interpretation?
Wir hätten die „richtige“ Interpretation des Textes mitliefern können: die Aussagen kommentieren, relativieren, ihnen widersprechen – unser eigenes Lachen einspielen. Das taten wir nicht, weil wir den Text auf seine inhaltliche Ebene beschränkt hätten, auf Aussagen wie „Der Staat scheißt Mütter mit Geld zu“ und unsere allzu leichten Einwände dagegen.
Wir ließen uns nicht auf die Gutmensch-vs.-Reaktionär-Leier ein, weil es unserer Meinung nach um mehr geht: Wie kann es sein, dass sich von einem Grollen wie diesem so viele verstanden fühlen? Warum funktioniert Populismus? Kann man bei so viel süffisanter Menschenverachtung noch von humorvollen Zwischentönen reden, wie es manche Rezensent_innen tun? Oder ist deren Nonchalance am Ende doch richtig? Wir wollen, dass die Leser_innen des Plakats diese Fragen selbst beantworten, und ergänzten daher Kontext statt Kommentare, gaben Gesprächsbasis statt fertige Interpretation.
Das TONIC Plakat N°1, Rückseite
Bild: Bastian Preussger/TONIC

Leo Fischer, ehemals Chefredakteur des Satiremagazins Titanic, erklärte Pirinçcis Aufplustern kürzlich als Kompensation mangelnder Potenz: „Pirinçci, dessen Karriere mit schwülstigen Katzenpornos begann, hat auch in seriösen Medien immer wieder auf sein sagenhaftes Stechertum hingewiesen. (...)“
Das ist ein Weg des Verstehens, denn in der Tat wird Pirinçci nicht müde zu erwähnen, dass er es gerne treibt – am liebsten mit jungen Frauen. Wobei er sich in unserem Interview unschlüssig ist, ob er seinen Samen tatsächlich v.a. beim „jungen Gemüse“ abladen kann oder ihn die „21-jährigen Kunststudentinnen“ doch nicht mehr nehmen.
Apropos Gemüse: Marcus' erste Frage an Pirinçci ist: „Wen haben Sie eigentlich noch nicht beleidigt?“ Die Antwort: „Junge Veganerinnen.“ Die scheinen dem Schriftsteller so undurchsichtig wie er uns. Veganerinnen, so Pirinçci, essen schließlich heimlich Wurst.
So plump dieses Statement ist, so sehr irritiert es auch. Wir wollen diese Irritation nicht wegerklären, sondern für unsere Leser_innen produktiv machen. Indem wir ihnen Bezüge geben, die das Thema Populismus auf anderen Ebenen abhandeln lassen als auf der des inhaltlichen Widerspruchs. Das ist unsere Antwort auf die Frage: Wie damit umgehen?
Das TONIC Plakat N°1 „Deutschland, deine Unruhestifter“ sollte heute in eurem Briefkasten liegen, soweit ihr es bei Startnext vorbestellt habt. Sonst könnt ihr es auf unserer Verkaufsseite bestellen oder bekommt es zum Kaffee in einem der aufgeführten Läden. Die weiteren journalistischen Plakate für den öffentlichen Raum sind in Planung.
BlpffAm 26. November 2014
Wer oder was wollt Ihr denn eigentlich sein?
Was auch immer. Interessiert eigentlich nicht.
Viel Spaß noch. Gähn.
SlartiAm 27. November 2014
Ich find's richtig gut, was ihr macht! Ich hoffe nur, eure Kaffee- und Bar-Liste erweitert sich noch. Ich kann es nicht abwarten, eines von den Dingern in die Hand zu bekommen!