„A“ voice of „a“ generation
14. Oktober 2014
Von Sarah Emminghaus
Nach einigen Filmen und einer erfolgreichen Serie hat Lena Dunham einen Essayband veröffentlicht: In „Not that kind of girl“ erzählt Dunham von ihrer Kindheit, ihrer Zwangsstörung, einer Vergewaltigung und natürlich ihrer Vagina.
Bild: Random House

Lena Dunham polarisiert. Zwar ist unumstritten, dass sie eine hart arbeitende, erfolgreiche Frau ist, die unverblümt ihre Meinungen und Erfahrungen in die Welt trägt. Die Frage ist, ob das notwendig ist. Im Alter von 28 Jahren hat Dunham bereits mehrere Filme gedreht, ist Regisseurin, Drehbuchautorin, Produzentin und Hauptdarstellerin ihrer eigenen Serie Girls und hat kürzlich ihr erstes Buch veröffentlicht. Not that kind of girl. A young woman tells you what she’s „learned“ polarisiert ebenso stark wie seine Autorin. Vermutlich, weil man unweigerlich über die Person Lena Dunham urteilt, wenn man ihr Buch bespricht – und die Relevanz ihrer Erfahrungen und Ratschläge zumindest hinterfragt. Die persönlichen Essays lesen sich zum Großteil wie unzensierte Tagebucheinträge. Mehr verspricht Dunham auch nicht: „No, I am not a sexpert, a psychologist, or a dietitian. I am not a mother of three or the owner of a successfull hosiery franchise. But I am a girl with a keen interest in having it all, and what follows are hopeful dispatches from the frontlines of that struggle.”
Das hält sie ein. Es geht um Sex, ihre Zwangsstörung, ihre Eltern, ihre Therapeuten und sehr oft um ihre Vagina. Trotzdem hat man sich erhofft, dass da mehr kommt. Diese Hoffnung auf das Andere in Dunham hat sich kaum erfüllt.
Viele können sich mit Dunhams Problemen identifizieren, und viele können das nicht.
Dunhams Serie ist wichtig. Sex und der weibliche Körper werden dargestellt, wie es schon lange nötig wäre: so, wie sie sind. Darauf geht sie auch in ihrem Buch ein: „Between porn and studio romance, we get the message loud and clear that we are doing it all wrong. Our bedsheets aren’t right. Our moves aren’t right. Our bodies aren’t right.” Das ist erleichternd. Aber eigentlich hat sie das schon mit ihrer Serie gesagt – bildlicher und eindringlicher. Auch ist es wenig revolutionär, in der Literatur explizit über realen Sex, schwierige Affären und neurotische Charaktere zu sprechen. Dass realistische Frauenkörper und unsympathische Protagonistinnen im Fernsehen gezeigt und dermaßen erfolgreich wurden: Das war neu, das war wichtig. In ihren Essays jedoch erklärt Dunham vor allem sich selbst und bestätigt leider viele Kritiker der Künstlerin. Wie Hannah präsentiert auch Dunham sich in ihren Texten als egozentrisch, sehr verwöhnt, extrem privilegiert und wirkt außerdem, abgesehen von dem immer mal wieder erwähnten Feminismus, der ihr anscheinend vor allem durch ihre Mutter vermittelt wurde, unpolitisch, weil so selbstbezogen.
Die Essays sind pointiert, oft tragisch und fast immer komisch. Dunham kann erzählen, und sie kann zwischen witzigen Storys über gescheiterte Affären schön formulierte Mahnungen einbauen, die vielleicht doch vor allem die 20-Somethings betreffen: “When someone shows you how little you mean to them and you keep coming back for more, before you know it you start to mean less to yourself. You are not made up of compartments! You are one whole person! What gets said to you gets said to all of you, ditto what gets done.“ Leider hätte es noch wesentlich mehr dieser Ratschläge geben können. Aber viele Anekdoten wirken deplatziert sowie ziel- und fazitlos; so als handle es sich bei dem Buch um eine Collage ohne Struktur und Form. Dann ist da aber noch die mehr tragische als komische Beschreibung einer Grauzonen-Vergewaltigung Dunhams durch einen Kommilitonen: ein leider aktuelles Thema, das weniger Wegschauen verdient.
Sex und der weibliche Körper: so, wie sie sind.
Seit der ersten Folge der Serie muss Dunham aushalten, dass ein Zitat von Girls-Protagonistin Hannah Horvath auf sie projiziert wird: „I think that I may be the voice of my generation.“ Auch wenn Dunham seit nunmehr zwei Jahren dementiert, dass sie diesen Satz auf sich bezogen hat – sie wird noch immer behandelt, als spreche sie tatsächlich für eine ganze Generation. Aber wie auch nicht? Das Buch legt nahe, dass die Serie nur eine modifizierte Version von Lena Dunhams Leben ist und Hannah Horvath größtenteils mit Dunham gleichzusetzen ist. Der zweite Teil von Hannahs Aussage ist viel passender: „…or a voice, of a generation.“ Das ist Lena Dunham: eine einzelne Stimme von einem Teil einer Generation. Viele können sich mit ihr und ihren Problemen identifizieren, und ganz schön viele können das nicht. Trotzdem: Das unverblümte Thematisieren von Tabuthemen gehört doch mehr zu dem Ausschnitt dieser Generation, dem Dunham angehört, als zu älteren Generationen. Und mit Tabuthemen und der Darstellung der Realität geht sie exzellent um – daher womöglich die Unterstellung, dass sich mit allem, was Dunham repräsentiere, haufenweise junge Menschen identifizierten. Auch darf nie vergessen werden, dass Dunham noch immer Künstlerin ist, die übertreibt und immer nur den Teil ihrer Persönlichkeit öffentlich präsentiert, der witzig, neurotisch und erfolglos ist – es funktionierte bisher ja auch. Im Buch ist das schwieriger zu erkennen als in der Serie. So vermisst man in den Essays eine Erläuterung, warum sie es als prokrastinierende und oft lebensunfähige Frau zu derart viel Erfolg gebracht hat. Sie berichtet fast nur von ihren Zusammenbrüchen, Sexpannen und Ängsten. Nicht dass sich Ängste und Erfolg ausschließen würden – dem Untertitel des Essaybandes entspricht sie jedoch dadurch nicht: A young woman tells you what she’s „learned“. Dunham erzählt von ihrem schwierigen Weg, überspringt jedoch die Phase, in der sie Ambition und Motivation entwickelt hat und die sie dorthin gebracht hat, wo sie heute ist – wenn auch noch immer von Ängsten geplagt.
Jeder hat vor etwas Angst, jeder prokrastiniert und jeder ist mal desinteressiert an einem Thema. Aber: Dass es sich bei Dunhams Generation um eine Horde unpolitischer, narzisstischer Menschen handelt, wie Girls und ihr Buch häufig suggerieren, ist nicht wahr. Lena Dunham erzählt von ihrem Leben, nicht mehr und nicht weniger. Das ist sowohl legitim als auch mutig und sie macht es größtenteils wirklich gut. Allerdings ist sie sicherlich nicht der J.D. Salinger „unserer“ Generation, wie die New York Times kühn behauptete. Sie ist „a voice of a generation“.
Not That Kind of Girl. A young woman tells you what she's "learned", von Lena Dunham, erschienen am 30. September bei Random House. Kostet 17,95 Euro. Gibt es auch übersetzt von Sophie Zeitz und Tobias Schnettler für den S. Fischer Verlag, erhältlich für 19,99 Euro.
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