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Für *Eltern

Frühe Entscheidungen

19. September 2014
Von Tom Rhein

Tom Rhein heißt eigentlich anders, ist 26 und lebt und wohnt an Rhein und Ruhr. Hier berichtet er von der Vorbereitung aufs erste Kind. Weil er seinem Nachwuchs noch keine digitale Identität schaffen will, bleibt er hier anonym.

Texte von Tom
autor@tonic-magazin.de

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Tom reicht's – ständig ist er mit Entscheidungen konfrontiert, die das restliche Leben seines ungeborenen Kindes beeinflussen können. So streitet er sich mit einem Arzt und schmökert durch altbackene Vornamen. Unter ihnen ist zumindest einer ein echtes No-go. Teil 3 der Vater-Kolumne

Schwanger sein betrifft nur Frauen? Von wegen! Wir lassen einen werdenden Papa zu Wort kommen – in seiner Kolumne plaudert der Student Tom Rhein über Vaterfreuden und fiese Entscheidungsmomente.

Entscheidungen begleiten eine Schwangerschaft. Ständig. Lieber ins Krankenhaus zum Entbinden oder doch ins Geburtshaus? Hebamme ja oder nein? Braucht es Geburtsvorbereitungskurse wirklich? Immerhin muss man sich da andere schwangere Paare anschauen – das kann, muss aber nicht besonders schön sein. Wie viele Strampler brauchen wir eigentlich jetzt schon? Wo stellen wir das Kinderbettchen hin? Stillen oder Fläschchen?

Namen sind auch so eine Sache. Es gibt so unglaublich viele, dass damit ganze Bücher gefüllt werden. Im „Großen Buch der Vornamen“ zum Beispiel finden sich die neusten Trends für Mädchen und Jungen, sogar mit Herkunft und Bedeutung! Von Aalke bis Zdenko ist wirklich alles dabei – auch Bogumil und Traudlinde! Es gibt in Deutschland sogar eine offizielle Statistik (eh klar oder?) über die Namensvergabe. Da lese ich die Namens-Hitlisten von 1890 bis heute nach und mir wird schwindelig.

Ich habe gehört, dass sich Eltern noch ganze vier Wochen nach der Geburt Zeit lassen können mit der Namensgebung. In diesen vier Wochen können wir uns genau anschauen, ob es eher ein/e Paul/Paula oder doch ein/e Alex/Alexa ist. Ich kann mir gut vorstellen, dass einige Eltern vor der Geburt total begeistert von einem Babynamen waren – und dann haben sie das Kind gesehen und gedacht: „Neee, irgendwie doch nicht.“

Dabei ist das mit den Namen ja noch eher banal. Mittlerweile stehen ganz andere Entscheidungen an. ETS zum Beispiel. Der Frauenarzt bietet das Erst-Trimester-Screening für die 11. bis 13. Schwangerschaftswoche an. Dabei geht es, kurz gesagt, um eine sogenannte nicht-invasive Untersuchung, die Behinderungen des Kindes feststellen soll. Am Ende des ETS steht dann eine Prozentzahl – die Wahrscheinlichkeit, ob das Kind mit einer Behinderung zur Welt kommt.

Mit dieser Zahl zurückgelassen dürfen die meist völlig verunsicherten Eltern dann entscheiden, ob weitere Eingriffe bis hin zum Abbruch vorgenommen werden sollen. Unser Arzt sagte noch, das ETS stehe zu Unrecht im Ruf, ein „Down-Syndrom-Killer“ zu sein. Solche Fragen muss jeder für sich selbst entscheiden. Und dazu gehört nun mal auch, sich zu fragen, was denn passiert, sollte das Kind behindert sein.

Seit „wir“ schwanger sind, stehen wir ständig vor Entscheidungen. Es folgte einiges Hin und Her und eine kleinere Auseinandersetzung mit dem Arzt – der schließlich akzeptierte, dass wir das „Nichtwissen“ der „Wahrscheinlichkeit“ vorziehen: Wir haben die ETS trotz vieler guter Argumente abgelehnt und sind glücklich damit. Aber ich verstehe auch, dass das nicht jedem leichtfällt. Es geht schließlich um nichts weniger als ein ungeborenes Menschenleben. Und die Namensfrage? Ich blättere noch ein bisschen zwischen Lambertine und Servatius und frage mich, ob ich meine Eltern gehasst hätte, wenn sie mich nach einem griechischen König benannt hätten – Leonidas zum Beispiel. Auf jeden Fall cooler als Kevin, oder?


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