Die Nomaden der Wüste Gobi
23. Januar 2014
Von Felix Baumann
Immer schwerer wird ihre Suche nach Weideland, selbst im strengen Winter harren sie in ihren Jurten aus: Das Leben der mongolischen Nomaden ist mühevoll. Gleichzeitig ist es faszinierend und manchmal sogar gemütlich, sagt Sven Zellner, der die Nomaden begleitet und portraitiert hat. Unser Medienpartner Emerge bringt die ganze Strecke, wir das Interview.
Bild: Sven Zellner/emerge

Die Mongolei ist selten in den Medien. Du sprichst sogar die Sprache. Wie bist du zu dem Land gekommen?
Ich habe an der Filmhochschule in München studiert. Dort habe ich als Kameramann des mongolischen Regisseurs Batmunh Suhbaatar gearbeitet, mit dem ich für zwei Spielfilme in der Mongolei war. Die Sprache habe ich dort von den Menschen gelernt, nicht durch einen Lehrer oder ein Buch. Das ging fast automatisch.
Was fasziniert dich an diesem Land?
Die Menschen. Diese Offenheit, ihre Gelassenheit und die Gastfreundschaft der Nomaden. Dass sie einen auch als Fremden in die Jurte einladen und teilen, was sie haben. Zum Teil kommt diese Gastfreundschaft daher, dass man dort aufeinander angewiesen ist: Die Mongolei ist das am dünnsten besiedelte Land der Erde. Wenn dein Nachbar im Winter sein Vieh verliert, hilfst du ihm.
Wann und wieso hast du beschlossen, die „Mongolian Nomads“ in einer Bilderstrecke zu portraitieren?
Während meiner Reisen lebe ich meistens bei den Nomaden. Ich habe sehr viel Zeit mit ihnen verbracht und natürlich auch viel fotografiert. Hauptsächlich in der Wüste Gobi, wo der Grundwasserspiegel immer weiter sinkt. Deshalb wird es schwieriger, Wasser und Nahrung für die Tiere zu finden. Wenn der Regen ausbleibt, kann es zur Katastrophe kommen. Außerdem und vor allem sind die harten Winter ein Problem. Im Winter 2010 starben etwa zwei Millionen Tiere. Trotzdem lieben die Nomaden ihr Leben und die Landschaft, in der sie leben.
Warum sinkt der Grundwasserspiegel?
Das weiß man nicht genau. Es ist wohl ein natürliches Phänomen – wobei auch die massiv gewachsene Bergbauindustrie in der Mongolei den Grundwasserspiegel senkt.
Bild: Sven Zellner/emerge

Im Leben der Nomaden sind Tiere überlebenswichtig, neben den Ziegen und Kamelen vor allem die Pferde. Wozu werden sie gebraucht?
Zum Reiten und wegen der Milch. Mit dem "Unaga Uyac Fest" feiern die Nomaden den Tag, an dem sie im Frühjahr die Stuten das erste Mal melken. Sie treiben die Pferde zusammen, die Tiere sind ja nicht eingezäunt. Die Stuten und Fohlen werden mit der "Urga", dem mongolischen Lasso, gefangen. Dafür muss man verdammt gut reiten können. Dann bindet man sie nacheinander fest. Um sie melken zu können, muss man die Stuten austricksen: Man lässt erst das Fohlen trinken; wenn es fertig ist, wird gemolken. Die Stute denkt, es sei immer noch ihr Fohlen, das trinkt, sonst gäbe sie keine Milch. Im Herbst bekommen die Fohlen dann Brandzeichen. Die Nomaden ziehen mit ihren Jurten weiter, wenn es nicht mehr genug Gras für die Tiere gibt. Das ist in der Regel zwei Mal im Jahr der Fall.
Apropos Pferde: Wie bist du in der Mongolei gereist, reitest du?
Nein. Ich kann zwar ein bisschen reiten, aber so gut dann auch wieder nicht. Da ich weite Distanzen zurücklege, fahre ich mit dem Auto. Es geht mir nicht um das Abenteuer, mit einer Karawane zu reisen. Ich interessiere mich für die Menschen und die meisten Mongolen legen weite Strecken auch mit dem Auto zurück. Meistens fahren mich Freunde und Bekannte, die ich dafür natürlich bezahle, oder ich fahre mit einem öffentlichen Bus. Ich will dort auch nicht selber fahren. In der Wüste Gobi sind die Straßen oft sehr schlecht oder es gibt gar keine. Wenn man schnell voran kommen möchte, muss man wissen, welche von den Pisten die beste ist.
Du hast das harte Leben der Nomaden beschrieben: harte Winter, fallender Grundwasserspiegel, Viehsterben. Wird es in Zukunft überhaupt noch Nomaden in der Wüste Gobi geben?
Ich denke, es wird immer Menschen geben, die sich für das Nomadenleben entschließen. Dass es derzeit weniger werden, ist nicht schlecht, wenn man das Problem der Überweidung betrachtet. Die Nomaden wissen, wie schön die Landschaft ist, in der sie leben – und beneiden die Menschen in der Stadt nicht. Außerdem ist das Leben in der Jurte nicht immer nur hart. Es kann auch sehr gemütlich sein.
Bild: Sven Zellner/emerge

Das musst du erklären.
Wenn nach einem Sturm das Vieh wieder zusammengetrieben werden muss oder wenn jedes halbe Jahr der Umzug ansteht, dann ist es natürlich sehr viel Arbeit. Sonst ist es aber eher ein ruhiges Leben. Es gibt zwar tägliche Arbeiten zu verrichten, zum Beispiel die Jurte kehren, das Melken der Tiere, Milch verarbeiten und kochen. Man hat aber auch viel Zeit nebenher, um zu reden oder sich auszuruhen und einfach nur irgendwo in der Wüste herumzuliegen und seine Herde zu beobachten. Im Ganzen ist es ein gemütliches Leben.
Sven Zellner studierte Film an der Hochschule für Fernsehen und Film München. Sein Filmdebüt „Price of Gold“ wurde mit dem ARTE-Dokumentarfilmpreis ausgezeichnet. Der Film begleitet fünf mongolische Nomaden auf ihrer illegalen Suche nach Gold. Die parallel entstandene Fotodokumentation „Ninjas – Goldrush Mongolia“ wurde unter anderem beim Internationalen Filmfest in München ausgestellt.
Sein neues Fotoprojekt „Mongolen Disko“ wird Ende Februar bei LFI International in Hamburg präsentiert. Es ist eine Reportage über die neue mongolische Gesellschaft, die Klasse der Oligarchen und die aufklaffende Schere zwischen Arm und Reich.
Noch keine Kommentare vorhanden.