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Für *Trennungsexperten

„Das größte Problem in Kairo ist der Müll“

2. Juni 2013
Von Helene von Schwichow

Helene aus Berlin ist Plattenspieler-Redakteurin bei TONIC

Texte von Helene
autor@tonic-magazin.de

Helene von Schwichow

Er kann das Nil-Delta nicht retten, hält Mülltrennung aber für einen guten Anfang: Mourad Farahat, sechzehn Jahre, ist mit einer Gruppe junger Umweltschützer aus Kairo zum 1. Weltjugend-Nachhaltigkeitsgipfel nach Berlin gereist. Mit Gleichgesinnten aus dreizehn Ländern berät er dort über das Wirtschaftssystem der Zukunft.

Teilnehmer des Nachhaltigkeitsgipfels: Hände hoch für den Umweltschutz

Teilnehmer des Nachhaltigkeitsgipfels: Hände hoch für den Umweltschutz

Für eineinhalb Wochen versammelte die Organisation Youthinkgreen Jugendliche aus aller Welt in Berlin. Unter dem etwas sperrigen Titel "1. Weltjugend-Nachhaltigkeitsgipfel" absolvierten die Teilnehmer ein straffes Programm aus Präsentationen, Workshops und Vorträgen. In einer der kurzen Pausen treffen wir Mourad im Garten der Akademie der Konrad-Adenauer-Stiftung.

Mourad, du bist jetzt seit einer Woche in Berlin. Was fällt dir im Vergleich zu Kairo besonders auf?

In Kairo sind die Leute zu nett, jeder hält sich für witzig. Dafür ist die Stadt auch sehr lebendig. Berlin ist viel sauberer und wahnsinnig gut strukturiert, dafür ist die Lebenslust hier nicht so groß. Für uns aus Kairo macht alles, was spontan passiert, das Leben aus. Das Spontane fehlt mir in Berlin.

Hast du auch ganz spontan beschlossen, ein Umweltschutzprojekt zu starten?

Nein, alle meine Projektkameraden und ich hatten schon länger den Gedanken, etwas für die Umwelt zu tun. Was uns allerdings fehlte, war ein geeigneter Rahmen, eine Infrastruktur. Die bot uns dann Youthinkgreen an. Jetzt haben wir ein ziemlich erfolgreiches Recycling-Programm an unserer Schule.

Immerhin ist der Müll getrennt.

Warum befasst sich euer Projekt ausgerechnet mit Mülltrennung?

In Kairo ist das größte Problem, neben dem Verkehr, die kolossale Menge an Müll – und zwar nicht der in den Mülltonnen, sondern außen um sie herum. In der ganzen Stadt, unser Schulgelände eingeschlossen, ist überall Abfall. Da wir nicht gleich das Nil-Delta retten können, dachten wir, na gut, Müll trennen geht auch.

Wie genau funktioniert dieses Recycling-Programm?

Wir teilen den Müll in vier Tonnen: Plastik, Metall, Restmüll und Papier. Wir arbeiten mit der NGO Al-Misbah Al Modee’ zusammen, die Arbeitslosen Jobs im Recycling-Bereich verschafft. Wir trennen den Müll und diese Menschen verarbeiten ihn dann. So tun wir etwas Gutes sowohl für unsere Schule als auch für unsere Gesellschaft.

Ist die Schule seitdem sauberer?

Immerhin ist der Müll getrennt…

Gibt es eine nächste Projektphase, habt ihr Pläne für die Zukunft?

Wir wollen das Mülltrennungsprojekt auf andere Schulen in Kairo ausweiten, zunächst die Privatschulen, denn die haben die Mittel dafür, dann aber auch auf die staatlichen Schulen. Außerdem planen wir, Solaranlagen an unserer Schule zu installieren.

Andere Jungs in deinem Alter spielen Fußball und PlayStation. Wie würdest du sie motivieren, auch etwas für die Umwelt zu tun?

(lacht) Ich spiele auch Fußball und PlayStation! Man darf alles machen, solange man eine gewisse Balance hält. Wir sollten uns auch aus Eigeninteresse für etwas engagieren, es ist nützlich. Es ist schließlich unsere Welt und niemand will in einem Müllhaufen wohnen.

"Ich will dabei helfen, ein nachhaltiges Wirtschaftssystem zu entwickeln"

Hat sich dein Denken und Handeln im Alltag durch das Projekt verändert?

Ja klar, durch das Projekt konnte ich viele intellektuelle Leute treffen, die mein Verständnis von Umwelt und dem Müllproblem total verändert haben. Das ist ganz wichtig für mich.

Wie äußert sich dieses neue Verständnis im Alltag?

Indem ich meine Eltern erstens davon überzeuge, dass auch sie Müll trennen sollten. Und sie zweitens dazu bringe, hoffentlich irgendwann eine Solaranlagen zu bauen. Aber das wird noch eine Weile dauern.

Auf einem Nachhaltigkeitsgipfel wie diesem versammeln sich viele Politiker und schwingen Reden. War ein Vortrag dabei, der dir besonders gut gefallen hat?

Ja, der von Herrn von Weizsäcker. Es ging darum, inwiefern Wirtschaft und Nachhaltigkeit zusammengehören. Auch interessant war der Vortrag von Jasson Jakovides, in dem es darum ging, Nachhaltigkeit als Fach in der Schule einzuführen.

Du selbst gehst noch ein Jahr zur Schule, wie sehen deine Pläne für die Zeit danach aus?

Ich will Wirtschaft studieren, vielleicht sogar in Berlin, und dieses Wissen dann mit dem Thema Nachhaltigkeit kombinieren. Ich will dabei helfen, ein nachhaltiges Wirtschaftssystem zu entwickeln.

Mourad (Mitte) mit anderen Jungs in seinem Alter

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