Wir müssen unbedingt
5. April 2013
Von Marc Eppler
Heute wieder über hochgeklappte Klobrillen, Berge von dreckigem Geschirr und Haare im Abfluss geärgert? Dann einfach weiterlesen – ihr werdet eure Mitbewohner lieben.
Bild: Veronika Raupach/TONIC

Eingesendet von Robert Weinhold
Der Abfluss ist verstopft, Rechnungen stapeln sich und das Pfandflaschenmeer wächst sowieso unaufhörlich. In meiner Fünfer-WG im Leipziger Altbau gibt es immer etwas zu tun. Pflichtbewusst versichern wir uns gegenseitig: "Wir müssen das unbedingt in Ordnung bringen."
Wir, das heißt einer. Das heißt ein Anderer. Also niemand. Alles bleibt, wie es ist. Genau wie das Problem mit unserer Wohnungstür. Zwei Flügel, je zwei Meter und sechzig hoch, Kirchenfensterglaseinsätze und schwarzes Metallgitter – mehr Pforte als Tür. Täglich werfen wir uns dagegen und treten auf sie ein. Eine Polizeigrundausbildung ist ein Klacks dagegen. Aber irgendwie schließt das Mistding nicht mehr einwandfrei. Am oberen Ende verkeilt sich das Holz der Pfortenflügel. Seit sechs Wochen. Jeden Tag.
Wir, das heißt einer.
"Wir müssen unbedingt unsere Tür mal reparieren" tönt es regelmäßig in der WG-Küche. "Oha, ja, unbedingt", sind sich dann auch alle einig. Und dann zerren wir doch wieder mit aller Wucht, bis das Schloss endlich einrastet. Dank der täglichen Gewalteinwirkung splittert langsam die Farbe ab und die Zierleisten beginnen zu wackeln. Aus dem "wir" muss wohl baldigst ein "ich" werden, sonst liegt die Tür demnächst in Einzelteilen im Flur. Und dann müssen "wir" uns auch noch um einen Kostenvoranschlag für eine neue Tür kümmern – unbedingt.
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