Wir wollen mehr
29. März 2013
Von Helene von Schwichow
Das neue Album des Gießener Trios OK KID ist Musik in den Ohren all derer, die zwar nicht wissen, was sie wollen – davon aber immer mehr. Ihr facettenreicher HipHop portraitiert die Generation der jungen Unentschlossenen.
Bild: Four Music

Und schon wieder dieses Kopf-zerfickende Gefühl, dieses "Ich will nicht, dass du weißt, dass ich nicht weiß was will". Und ich Idiot hol deine Tasse aus dem Schrank, brühe alles noch mal auf und halt den Kaffee für dich warm, verdammt. Der aufmerksame Hörer fasst sich an dieser Stelle an die Stirn und denkt: Kaffee warmhalten für die vielleicht verlorene Liebe? Kenn ich doch aus Sternstunden der Bedeutungslosigkeit! Für Rocko Schamoni war die volle Kaffee-Tasse der Ex-Freundin "Das olympische Feuer der Liebe". OK KID bauten aus dem Gedanken einen etwas pathetischen Rapsong, der dem Hamburger King der Selbstfindungsromane/Telefonstreiche/Schmuckkollektionen in Punkto Selbstironie jedoch in nichts nachsteht.
Früher Jona:S. Heute OK KID.
OK KID, das sind Jonas, Raffi und Moritz aus Gießen. Früher Teil des siebenköpfigen HipHop-Kollektivs Jona:S, das sich mit den zwei EPs "Elektrisch" und "Grau" eine beachtliche Fangemeinde aufgebaut hatte, beschlossen die Jungs, dass sie dieses "Band-Ding" ohne Kompromisse leben wollten. Die Jona:S-Crew lebte in verschiedenen Städten, der organisatorische Aufwand war enorm. Die Drei zogen in eine Stadt und merkten, dass da etwas Neues entstand, das auch einen neuen Namen brauchte. Spontan überlegten sie, welche Alben für sie die wichtigsten aller Zeiten waren, einigten sich auf die Radiohead -Meisterwerke "KID A" und "OK Computer" und wurden zu OK KID.
Bild: Four Music

Keine Hipster, keine Hip-Hopper
OK KID ist also kein klassisches Rap-Album, soviel ist nach dieser Anekdote schon mal klar. Jonas bezeichnete den eigenen Sound jüngst sogar als Popmusik. Man kann OK KID zu recht progressiv nennen. Das liegt vor allem daran, dass die Gießener alle drei aus unterschiedlichen Richtungen kommen. Während Rapper/Sänger Jonas eine HipHop-Vergangenheit hat, bastelte Raffi schon seit jeher unterschiedlichste Beats und Keyboarder Moritz fühlt sich von poppigem Songwriting inspiriert. Elektronischen Einflüssen ist bei OK KID auch niemand abgeneigt. Gemeinsam mit Robert Koch (Marteria, Casper) ist so ein Album entstanden, das keinem Trend hinterher rennen muss, weil es für sich selbst steht.
Ein Spiegel für die jungen Unentschlossenen
Und für die Generation Twenty – Somethings zwischen den Stühlen. Menschen, die eigentlich alle Möglichkeiten hätten, sich aber nicht entscheiden können und an Luxusproblemen scheitern. OK KID singen über die Hassliebe zur eigenen Stadt, den Wunsch nach Ruhe statt Reizüberflutung und das Gefühl, dass es irgendwie nie so richtig passt. So heißt es in "Mehr, mehr:" Wir haben alles was wir brauchen doch noch lange nicht genug, wir wollen mehr, mehr, mehr, mehr...
Das Album OK KID erscheint am 05.04.2013 auf Four Music.
OK KID sind live im kommenden Festival-Sommer unter anderem auf dem Splash! sowie dem Southside/ Hurricane-Festival zu sehen.
Texte, die dich auch interessieren könnten.
- Für *Wortfetischisten: Gar nichts reicht.16. März 2013
- Für *Praktiker: T.E.A.-Time!2. März 2013
- Für *Polygamisten: Wir wollen keine Telefone sein1. März 2013
Noch keine Kommentare vorhanden.