T.E.A.-Time!
2. März 2013
Von Ines Herrmann
Sein Gespräch mit TONIC ist so ungewöhnlich wie er selbst: Der Perfomance Künstler BBB Johannes Deimling betreibt seinen Beruf als ständiges Experiment. Im tschechischen Rehlovice hat Autorin Ines Herrmann eines seiner Seminare besucht und ihn nun zu einem Ein-Wort-Interview gebeten. Herausgekommen ist ein Künstlerportrait in neun Wörtern.
Schon probiert? Geschüttelt oder gerührt? Gemilcht, doppelt, ungetrübt: Um herauszufinden, ob etwas einmalig gut für uns ist, müssen wir es probiert haben; und unsere Rollenbilder sprengen, um etwas so zu genießen, wie wir wollen. Die Performance Kunst, der sich BBB Johannes Deimling verschrieben hat, ist die Kunst des Ausprobierens: Er teilt seine Erfahrungen, gibt Anregungen, hinterfragt und schafft Raum für andere, sich selbst und ihre Umgebung neu zu erfahren. Da verbietet es sich von selbst, ihn zu einem konventionellen Interview zu treffen. Stattdessen – probierten wir etwas aus. Wir gaben ihm ein Wort, er gab uns seine Geschichte dazu.
Fragen.
"Wie?" ist für mich eine der spannendsten Wege, eine Frage zu formulieren. "Wie?" fragt nach einer Art und Weise und will nicht unbedingt eine Antwort oder Lösung haben, sondern wirft eher neue Fragen auf. Antworten sind oft das Ende eines Denkprozesses, aber Fragen gehen einem Denkprozess nach, regen ihn an und versuchen, ihn zu erweitern. Und ist das nicht das Ziel des Spiels der Fragen, dass ein Denkprozess offen bleibt, statt alles verstehen zu wollen und auf Antworten zu beharren?
bewundert.
Bewundert habe ich, seitdem ich denken kann, meine Eltern. Sie sind seit über 50 Jahren verheiratet und haben zehn Kinder groß gezogen – und das in einer Zeit, in der das Ansehen von Großfamilien in der Gesellschaft nicht sonderlich hoch gewesen ist. Kinder sein Lebenswerk sein zu lassen ist eine Haltung, wie sie nicht zukunftsorientierter sein kann. Das sage ich heute als 20-facher Onkel.
Verständnis.
Ich habe absolut kein Verständnis für Menschen, die aus Frustration über ihre eigenen Unzulänglichkeiten heraus andere Menschen für ihre Misere oder ihr frustrierendes Leben verantwortlich machen. Ich finde sie sogar gefährlich.
neulich.
Neulich war ich mit meiner Frau Monika spazieren. Wir sind von unserem Haus in Fredrikstad in Norwegen zu einer wunderschönen Halbinsel gelaufen. Es schneite und alles war herrlich weiß bedeckt. Es ist ein Geschenk, wenn man sein Leben und seine Gedanken mit einer Person, die man liebt, teilen darf. Der Spaziergang endete in unserem Lieblings Café "Fabel" und wir wurden von der Bedienung auf den Tee und Espresso, den wir dort tranken, eingeladen.
abgenutzt.
Je länger ich mich mit Performance Kunst beschäftige, desto mehr merke ich, dass der Begriff "Performance" im Grunde total abgenutzt ist. Er bezeichnet zwar noch immer eine Form der Kunst, die ich sehr hoch schätze, in der ich ein wirklich zukunftsweisendes Potential sehe und mich am besten ausdrücken kann und will. Aber mit dem Begriff selbst bin ich nicht glücklich. Es ist schwer, einen neuen Begriff zu erfinden, wenn der Begriff gerade im Begriff ist, verstanden zu werden. Es ist aber nicht alles Performance, was sich mit diesem Wort schmückt.
Genuss.
Es ist ein Hochgenuss für mich, wenn ich in einem Café sitze und zur gleichen Zeit drei Getränke bestelle: einen schwarzen Tee mit Milch, einen doppelten Espresso und ein Glas Apfelsaft. Die Mixtur ist göttlich! Das Beste und Genussvollste, was ich mir nur vorstellen kann. Wenn ich dann dabei noch rauchen darf, ist mein Himmel perfekt. Es wäre kein Genuss, wenn ich das täglich machen würde. Ich gönne mir das nur nach einem erfolgreichen Projekt oder um mich wieder aufzubauen, wenn der Wind mal gerade gegen mich weht. Dann ist es Zeit für Tee, Espresso, Apfelsaft. Kurz: "T.E.A.-Time"!
Utopie.
Ich liebe Utopien, denn in ihnen stecken Möglichkeiten und Lösungen der Zukunft. Vieles, was für uns heute selbstverständlich ist, begann mit einer Utopie. Ein Mensch ohne Utopie ist für mich wie ein Fahrrad ohne Räder. Ich habe eine Utopie, der ich schon seit über 15 Jahren nachstrebe: die Gründung einer Akademie für Performance Kunst. Mit meinem Projekt PAS (Performance Art Studies) komme ich dieser Utopie schon etwas näher. Und sollte sie eines Tages in der Realität angekommen sein, hoffe ich nur allzu sehr, dass sich eine neue Utopie in meinem Kopf breitmacht.
nie.
Das ist ein polnisches Wort , heißt "Nein" und wird "nje" ausgesprochen.
Song.
Es gibt einige wichtige Songs in meinem Leben, aber einer davon begleitet mich schon eine sehr lange Zeit. Es ist "Smile", der Soundtrack von Charlie Chaplins Film "Modern Times". "Smile" beschreibt eine Grundhaltung zum Leben, der ich zwar immer näher komme, sie aber noch nicht wirklich ganz erreicht habe. Das ist ein tagtägliches Training. Und meint sicherlich nicht die Gesichtsmuskeln.
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GustavAm 4. März 2013
Großartig!
Aber Espresso mit Apfelsaft mischen? Diese Künstler...