Knast ist besser
17. August 2012
Von Juliane Goetzke
Auch Asylbewerber sollten ein menschenwürdiges Leben führen, sagt das Bundesverfassungsgericht. Mohammad flüchtete aus Pakistan und lebt nun in einem Aufenthaltslager nahe Gifhorn; TONIC sprach mit Kaveh Rostamkhani, der Mohammads Leben im Heim fotografisch dokumentierte.
Der Dokumentarfotograf Kaveh Rostamkhani besuchte den Pakistani Mohammad und dessen Sohn im Flüchtlingsheim Gifhorn. Entstanden sind folgende Bilder:
Kaveh, du kommst aus dem Iran und wohnst heute in Deutschland. Lebst du gerne hier?
Ich bin ein moderner Nomade und habe mein Leben in Deutschland nicht selbst gewählt. Es kam so, und ich habe versucht, das Beste daraus zu machen. Als in Deutschland lebender Fotograf kann ich jederzeit ins derzeit sichere Europa einreisen, wo auch immer ich mich zuvor auf der Welt aufgehalten habe. Und diesen Luxus schätze ich.
Wie bewertest du die deutsche Asylpolitik?
Die Politik muss endlich eine konkurrenzfähige Migrationspolitik einführen, wenn sie nicht will, dass sich in fünfzig Jahren deutsche Wirtschaftsflüchtlinge in Indien um Asylstatus bemühen müssen. Es ist ein Armutszeugnis, dass ein Land, das sein Bruttosozialprodukt steigert, indem es Konflikte in der Welt durch Export von Panzern, Waffen und Munition befeuert und Menschen dadurch ihr Obdach nimmt, nicht einmal die Verantwortung für jenen Bruchteil übernehmen will, der es hierher schafft.
"Auch ich wurde von deutschen Behörden wie ein halber Mensch behandelt."
Der Süddeutsche-Redakteur Heribert Prantl meint, man habe Asylbewerber finanziell kurz gehalten, um sie vor einer Flucht nach Deutschland abzuschrecken. Wie erklärst du dir, dass Asylbewerber bisher nur 60% des Hartz-IV-Satzes bekamen?
Die Sätze des euphemistisch benannten "Asylbewerberleistungsgesetzes" wurden seit Anfang der 1990er Jahre nicht mehr angepasst, weder dem Lebenswandel, noch der Inflation. Dabei waren schon 1993 keine Kulturbeiträge für die Asylsuchenden vorgesehen, sodass die Bezüge weit unter den gängigen Arbeitslosensätzen lagen. Ich kann es mir nur mit Rassismus im Amt erklären; logisch ist das nicht.
Auf deinen Bildern sieht man die Flüchtlinge zwar in kleinen Zimmern mit einfachen Matratzen, dafür mit gutem Essen, Fernsehen, Ventilator. Warum sind die Leute trotzdem arm?
Ich habe meine Arbeit vielen Menschen im Iran gezeigt und sie meinten, es sähe dort doch aus wie ein Ausflugsort. Dabei wird immer vergessen, dass es ein Ausflug ins Ungewisse ist und dass die Idylle trügt. Asylsuchende dürfen durch die sogenannte Residenzpflicht den Ort nur bis zu einem Umkreis von 30 Kilometern verlassen. Auch wenn sie wollen, dürfen sie im ersten Jahr nicht arbeiten. Danach dürfen sie erst dann eine Stelle annehmen, wenn kein EU-Bürger die Stelle nimmt. Also bleibt es faktisch unmöglich, eine Arbeit zu bekommen.
"Europa droht an seiner Dekadenz zu scheitern."
Es wird populistisch auf zwei Schienen argumentiert. Entweder heißt es, die Asylanten arbeiten nicht und schmarotzen, oder es heißt, sie nähmen "uns Deutschen" die Arbeit weg. Dabei darf man nicht außer Acht lassen, dass Europa durch seine restriktive Migrationspolitik viele qualifizierte Fachkräfte an Ländern wie die USA oder die BRIC-Staaten verliert und dabei langfristig seine wirtschaftliche Position verspielt (Anm. d. Red.: Die Abkürzung BRICS steht für die Anfangsbuchstaben der fünf Staaten Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika). Europa droht an seiner Dekadenz zu scheitern.
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