Lebhafte Konkurrenz auf Augenhöhe
22. März 2012
Von Valentin Hacken
Um die Studienstiftung des deutschen Volkes und ihre Auswahlseminare für die Stipendien ranken sich allerlei Gerüchte, kaum ein Stipendium sei so schwer zu bekommen rumort es in Internetforen, überhaupt sei das ein schnöseliger Elitenclub. TONIC-Autor Valentin Hacken berichtet von einem Wochenende bei der Studienstiftung.
Bild: Tobias Mittmann

"Gibt es noch etwas, das Sie hinzufügen möchten, was in diesem und Ihrem ersten Gespräch nicht zu Wort kam?", fragt, nach knapp vierzig Minuten, freundlich mein Gegenüber. Ich, etwas hinzufügen. Ja – also nein. Doch. Fragen, warum keine der Fragen gestellt wurde, mit denen ich gerechnet hatte. Danach, warum ich gerne ein Stipendium hätte, was ich damit machen würde, warum ich glaube, ich sei der richtige Bewerber. Das müssen die doch machen, schreit die empörte ZEIT Campus in mir und wedelt erschreckt mit den Karriere-Tipps. Bedenken Sie die Brüche in ihrem zwanzigjährigen Lebenslauf. Und ziehen Sie was adrettes an.
"Hier wird auf Augenhöhe diskutiert", verspricht die Studienstiftung. Wir Teilnehmende versprechen uns das auch, am Freitagabend beim ersten Essen und vor jedem Programmpunkt in einem Tagungshaus der katholischen Kirche. "Es ging doch einfach immer darum, der Beste zu sein, oder?", fragt mein Tischnachbar in die Vorstellungsrunde der Einserabiturienten. Ich verschweige meinen Schnitt freundlich lächelnd, nicke höflich der BWL-Studentin zu, die sich auf "lebhafte Konkurrenz" freut. Es ist eine merkwürdige Mischung, die allermeisten Anwesenden gehören zu den besten Abgänger ihrer Schulen oder den besten Studierenden ihres Studiengangs – es gibt kaum eine andere Möglichkeit, für ein Stipendium der Studienstiftung vorgeschlagen zu werden, erst seit kurzem besteht die Möglichkeit einer Selbstbewerbung. "Hier wird man halt auch im Gespräch mal wieder richtig gefordert", quakt es selbstzufrieden neben mir. Einfach zuhören und lächeln, fordere ich von mir. Keine Ahnung, mit wem der Typ neben mir sich sonst so privat unterhält, müssen aber wohl Schrankwände oder die Zeitansage sein, so sehr scheint ihn die Anwesenheit der Noten-Elite in diesem Raum zu erleichtern.
Etwa drei Prozent der deutschen Studierenden erhalten ein Stipendium der Begabtenförderungswerke. Zu den renommiertesten gehört das durch die Studienstiftung des deutschen Volks vergebene, steht ebenjene Stiftung doch in dem Ruf, die härtesten Aufnahmebedingungen zu haben und die elitärsten Anforderungen – ein Einreiten mittels Parteibuch wie bei den politischen Stiftungen ist nicht möglich. Die finanzielle Förderung, angelehnt an das Bafög und erweitert um ein monatliches Büchergeld, ist ebenso begehrt wie die Sommerakademien, wissenschaftlichen Kollegs, die umfassende Unterstützung bei Auslandssemestern und der Zugang zu weiteren Förderungsprogrammen, sowie die Betreuung am Studienort. Und es ist der Name: Studienstiftung – ein Netzwerk mit hohem Prestige in Wissenschaft, Wirtschaft und Politik.
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AnneAm 22. März 2012
Schöner Text. Inzwischen schon was von der Stiftung gehört ;)?
Valentin HackenAm 15. April 2012
Dankeschön! Ja, es flatterte schwere Post ins Haus ;)
lkAm 22. März 2012
" ein Einreiten mittels Parteibuch wie bei den politischen Stiftungen ist nicht möglich. "
Das ist einfach nur falsch.
Valentin HackenAm 15. April 2012
Inwiefern meinst Du?
lkAm 15. April 2012
Naja, soweit ich weiß geht es in politischen Stiftungen um mehr als Parteizugehörigkeit. Engagement und Persönlichkeit spielen eine große Rolle, gerade weil die akademischen Leistungen zur Nebensache werden.