Schillernd, Retro, Nahbar
29. Januar 2012
Von Victoria Schlusche
Erzähl mir eine Geschichte aus der Vergangenheit: Lana del Rey spielt in ihrem eben erschienenen Album "Born to die" mit alten Mädchenträumen. Und die finden Anklang. Gerade weil sie noch erreichbar scheinen?
Sehnsucht nach Verhaltenheit?
Bild: Victoria Schlusche/TONIC

Wer hätte gedacht, dass so kurz nach Lady Gaga und Katy Perry Sängerinnen mit "Image" und Outfit punkten können? Dass tatsächlich noch eine ungeheure Sehnsucht nach Verkleidung und Prunk besteht, die es völlig unbekannten jungen Frauen erlaubt, Millionen von Zuhörern auf Online-Portalen zu gewinnen? Der jüngste Medien-Coup, die 25-jährige Sängerin Lana Del Rey (bürgerlich Elizabeth "Lizzy" Grant), beweist, dass diese heiß umkämpfte Wiese längst nicht abgegrast ist. Doch was ist ihr Geheimnis? Klassischer Glamour, mit schillernden Bildern von "früher" aufgeladen, dabei düster und oft mit einer kräftigen Prise Punk versehen – wer steht hinter einem solchen Wirkungskonzept? Ist schillernd + retro die aktuelle Erfolgsformel, das Rezept, auf das man in der Musikbranche aufbauen kann?
Kein Tanz, keine Nacktheit
Zur Zeit ist der Welt ein Rätsel, wie sich ein Phänomen wie Lana del Rey überhaupt entwickeln konnte. Schon vor dem offiziellen deutschen Verkaufsstart ihres Albums Born To Die ist in allen Medien die Hölle los. In sämtlichen Musikforen und -zeitschriften findet sie Erwähnung, ist von Geheimtipp zum neuen Star am Pophimmel avanciert. Vielleicht lohnt sich zunächst ein Blick auf das, was Lana Del Rey eigentlich bekannt gemacht hat: Ihre (teils) eigenen Youtube-Filmchen. Im Gegensatz zu den allgegenwärtigen Tanz- und Halbnacktvideos anderer prominenter Sänger sehen die des neuen Retro-Sternchens so aus:
1. Lana del Rey nur als seltene Einblendung in schlichter, aber sehr trauriger Pose. Das angeblich selbst geschneiderte Video "Video Games", mit dem sie ihren Online-Aufstieg begründete. Nostalgisch geladene,verschwommene Bilder in loser Aneinanderbastelung. Dazu eine einfache Melodie, mit modernem Text, Youtube-Klicks: 23.432.592.
2. Lana del Rey in noch zerstückelterer Zusammenschnitt-Form. Die Szenen wirken noch zusammenhangsloser zusammengesetzt. Es gibt Autos, Blumen, Menschen. "I will love you till the end of time", seufzt die Sängerin in weißer Bluse am Ende des Songs. Youtube-Klicks: 6.980.487
3. Lana del Rey als blumenkranzbeschmückte Königin, götterähnlich in einer mit Goldprunk geschmückten Halle trohnend, dazu zwei Tiger an ihrer Seite. Cut. In der nächsten Szene eine dunkle Gegend, ein Auto, ein halbnackter Mann mit vielen Tätowierungen. Punk pur. Und trotz der inzwischen professionellen Umsetzung noch immer irgendwie passend. Youtube-Klicks: 3.464.047
Wie Florence Welsh von Florence and the Machine greift Lana del Rey ein Vintage-Gefühl auf, eine durch düster-poetische Glitzerbilder aufgeladene Traumwelt, von der jede als kleines Mädchen geträumt hat: Prinzessin, Hollywoodqueen, zartes Schillerwesen. Das ist sogar für Normalsterbliche erreichbar, denn jeder kann sich im Retrostil anziehen – im Gegensatz zu einem Seifenblasenkleid oder einer paillettenbesetzten Stripperinnenkluft der Lady Gaga. Ist es das, die richtige Mischung aus Vorbild und Erreichbarkeit, dem wehmütigen Was-wäre-wenn-Gefühl, das Lana Del Rey schon jetzt so erfolgreich macht?
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SzenekennerAm 10. Juni 2012
Diese Frau hat einfach den gewissen Porno-Faktor, der ihr vor allem das männliche Publikum zutreibt. Nach dem Ende ihrer wahrscheinlich kurzen Gesangskarriere, sehe ich für sie eher Zukunft im horizontalen Gewerbe. Diesen Faktor sehe ich im Artikel nur unzureichend beleuchtet.
heißer_horstAm 10. Juni 2012
Dem kann ich als Connaisseur von aufgeblasenen Lippen nur zustimmen.
JulianeAm 14. Juli 2012
Ja, vermeintlich aufgeblasen Lippen schädigen das Hörerlebnis natürlich gewaltig.