Startstrapazen
30. Dezember 2011
Von Helena Schmidt
Drei Minuten nach der Landung baut Helena ihr erstes Vorurteil ab – still und zurückhaltend sind Asiaten keineswegs.
Ankunft in China. Ruhig und zurückhaltend? Nur auf den ersten Blick.
Bild: Helena Schmidt

Das metallische Klicken der sich lösenden Gurte verbindet sich zu einem einzigen Ton. Der Lärm verschluckt das Geräusch der Turbinen. Ruckartig setzen die Räder der Maschine auf dem Boden auf. Vereinzelt springen Passagiere auf, wühlen hektisch nach ihren Habseligkeiten, unbeirrt davon, dass sie durch die Kraft des bremsenden Flugzeuges mit Wucht zurück in ihre Sitze gedrückt werden. Handys vibrieren und klingeln in einer ohrenbetäubenden Sinfonie – sie wurden bereits eingeschaltet, nachdem "Crew is ready for landing" aus dem Lautsprecher tönte.
Ich frage mich, wo ich die Grenze zu Hektik und Lärm überschritten habe.
Die ersten Fluggäste drängen in Richtung Ausstieg, ecken mit ihrem Gepäck an Sitze und herumstehende Menschen an. Wie gebannt verfolge ich das chaotische Spektakel, frage mich, wo genau auf meiner Reise von Deutschland nach Tibet ich die Grenze zwischen europäischer Disziplin und Hektik und Lärm überschritten habe. Neben mir quatscht ein Asiat nervenaufreibend laut in sein Telefon, als gelte es, so die Distanz zwischen ihm und seinem Gesprächspartner zu überwinden.
Ich verlasse meinen Platz erst, als das Flugzeug endgültig zum Stehen kommt. Erleichtert entrinne ich dem Gedränge, werde auf der Schwelle von einem chinesischen Greis beiseite geschubst. Den Glauben an die Asiaten, als ein stilles, zurückhaltendes Volk habe ich verloren – nach nur 10 Stunden die ich mit ihnen in der Lüfte verbracht habe. Befreit atme ich einen Schwall frischer Luft ein. Vor mir liegen drei Wochen in diesem einzigartigen Land.
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ringoAm 16. Februar 2015
"...unbeirrt davon, dass sie durch die Kraft des bremsenden Flugzeuges mit Wucht zurück in ihre Sitze gedrückt werden. "
na sowas! Seit wann sitzt man denn im Fluhzeug gegen die Flugrichtung?