Nachtschwärmer
17. August 2011
Von Helena Schmidt
Blätterrascheln, Ästeknacken, glühende Augen in der Dunkelheit – mitten in der Nacht irrt Helena durch dichten Wald auf der Suche nach dem nächsten Geocache.
Unscheinbare Reflektoren weisen Helena den Weg zum Ziel.
Bild: Privat

Mein Magen rebelliert. Das liegt weniger an der vor mir liegenden Nachtwanderung, als an den verschlungenen Waldstraßen, die uns zum Ausgangspunkt der heutigen Exkursion führten. Natürlich habe ich mir Verstärkung mitgebracht. Alleine stapfe ich nicht los, um in dieser Düsternis den Nachtcache aufzuspüren. Trotzdem ist mir mulmig zu Mute. Tackeberg klingt klein und niedlich, aber vor mir erstreckt sich ein steil bergaufführender Weg. Kein Erbarmen für meine bereits klagenden Füße.
Reflektierende Heftzwecken weisen den Weg durch Dunkelheit und Unterholz.
Wie gelbliche Finger geistern die Strahlen unserer Taschenlampen zwischen den Bäumen umher. Der Schein der Laterne auf dem sicheren Parkplatz schrumpft in unserem Rücken, bis wir umgeben sind von stiller Finsternis. Kein Laut, kein Leben. Reflektierende, an den Stämmen befestigten Heftzwecken weisen uns den Weg und funkeln kurz auf, wenn einer von uns sie anleuchtet. Bei Tag sind die silbrigen Hinweise nicht auszumachen. Selbst im Dunkeln übersieht man sie, wenn unser Licht knapp vorbeihuscht.
Ich bin inzwischen aus der Puste. Ein Stamm wirft den Strahl meiner Lampe zurück, anstatt ihn zu absorbieren. Das ist kein Baum. Beim genaueren Hinsehen erkennen wir ein farblich getarntes Plastikrohr und weiter entfernt einen kreuzförmigen Reflektor. Das Indiz, dass wir die erste Station des nächtlichen Multicaches gefunden haben. Irgendwo soll man jetzt ziehen, während der andere den Vorgang beobachtet und im richtigen Moment "Stopp" brüllt. Tatsächlich baumelt vor meiner Nase eine Schnur. Ich ziehe kräftig. Stopp! Der Aufzugmechanismus hat in einem weiteren Rohr eine Dose hoch befördert.
Die einzige Entdeckung: Vogelscheiße reflektiert.
Gespannt lesen wir den Liebesbrief. Der leider keiner ist. Die seriöse Nachricht enthält Hinweise wie wir zur zweiten Station kommen und den ersten Teil eines Kennwortes. Plötzliches Heulen und Kreischen. Wilde Tiere. Schnell knipsen wir die Taschenlampen aus, stehen vor Schreck wie erstarrt. Die Dunkelheit raubt einem den Atem. Panisch fällt mir ein, dass nicht nur vor Wildschweinen, sondern auch vor Jägern gewarnt wurde. Zu Tode geängstigt lasse ich das Licht wieder aufflammen. Über unseren Köpfen fliegt dröhnend ein Flugzeug, die Erleichterung ist spürbar.
Nach dem Überqueren einer Lichtung stieren uns aus dem Gebüsch unzählige Augenpaare an. Orange leuchtende Blicke verfolgen uns auf Schritt und Tritt. Doch wir sind auf der Suche nach einer einäugigen Kreatur. Der einzelne Reflektor markiert die zweite Station. Der Wind pfeift sein furchtsames Lied in den Baumwipfeln. Meine Nase ist kalt, aber kein Zyklop in Sicht. Selber schuld. Was musste ich mich auch hier drauf einlassen. Die einzige Entdeckung ist, dass Vogelscheiße reflektiert. Solange sie weiß ist. Die zweite Dose bleibt unauffindbar doch, ein innerer Drang treibt uns weiter den Berg hoch. Wir hoffen die letzte Station und den finalen Cache, ohne ihre Tipps aufzuspüren.
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