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Für *MTV-Fetischisten

Der Verfall eines Trendsetters

1. August 2011
Von Ben Grosse-Siestrup

Ben aus Essen ist Autor bei TONIC

Texte von Ben
autor@tonic-magazin.de

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Happy Birthday. MTV wird 30 Jahre alt. Schmeißt eine riesen Party! Aber feiert alleine, denn der erste Musiksender ist nicht mehr der unsere. Glückwünsche und Wertschätzung an einen alten Freund.

Mit den Buggles und "Video Killed The Radio Star" begann 1981 der internationale Siegeszug von MTV in den Vereinigten Staaten. Ein historischer und popkulturell wahnsinnig wichtiger Moment. Weniger wegen der Pseudo-Prophezeiung vom Tod des Mediums Radio, sondern vielmehr wegen der Geburt einer neuen alternativen Kunstform, bei der das Audiovisuelle im Vordergrund steht. MTV wurde zum Inbegriff für Popkultur in den 80ern und 90ern hochstilisiert, und eine ganze Generation war in der Lage sich damit zu identifizieren.

Ganze sechs Jahre dauerte es, bis der Trend nach Europa und somit auch nach Deutschland schwappte. 1997 ging MTV Germany an den Start und war zu diesem Zeitpunkt längst Global Player und Trendinstitution Nummer Eins, wenn es um angesagte Musik und Mode ging.

Das Konzept hat Jahrzehnte überdauert, und doch ist es mit einem Verfallsdatum versehen. Um es mit den Worten von Bob Dylan zu sagen: "The Times They Are A Changing”. Der Boom des Internets und die zunehmende Popularität von Videoseiten wie YouTube zwangen den Titanen MTV erst auf die Knie und dann zur Generalüberholung. An diesem Wendepunkt macht man wohl allgemein den Tod des Musikfernsehens fest, denn im Zuge dieser Grunderneuerung erhielten Reality-Shows und andere Formate Einzug, die mit Musik größtenteils nichts mehr zu tun hatten. Durchbrochen wurde diese geistige Tristesse jeweils nur durch Klingelton-Werbeblöcke in unheimlicher Frequenz.

Vom Regen in die Traufe: Um dem vorzeitigen Versinken in der seelenlosen Belanglosigkeit vorzubeugen, löste sich MTV als erster prominenter Sender in Deutschland vom Konzept der Werbefinanzierung und wagte den mutigen Schritt in Richtung Pay-TV – ohne dabei auf die allgemein bekannten Reality-Shows zu verzichten. Das kürzlich verstorbene Programm 9 Live kann man nicht als Nachrichtensender titulieren, genauso hat MTV seine Konsequenz gezogen und den Markenanhang "Music Television" entfernt. Amerika hat es vorgemacht und Deutschland ist diesem Beispiel Anfang Juli 2011 gefolgt.

Zu viele Reality-Shows? Angebot und Nachfrage, so ist das.

Was nur die Wenigsten verstehen wollen, ist die Tatsache, dass es in diesem Spiel um Angebot und Nachfrage geht. Wo ein reiner Musikkanal Mitte der 90er noch funktioniert hat, besteht das aktuelle Angebot von MTV einfach aus den Elementen, die bei der aktuellen Zielgruppe gefragt sind, so traurig das klingt. Die Rolle, die MTV einst gespielt hat, ist passé, degradiert vom popkulturellen Trendsetter zum plumpen Anbieter von Reality- Voyeurismus.

Obwohl an vielen Ecken der Niedergang des Videobooms verkündet wurde, ist die Begeisterung und Nachfrage für kreative Neuerschließungen in diesem Kunstbereich ungebrochen. Das Zauberwort ist dabei besonders 'interaktiv'. Wer selbst einmal Teil eines Musikvideos werden will und gleichzeitig eintauchen möchte in dessen Zukunft. Bitte!

Zu verdanken haben wir diese Entwicklung MTV und deswegen wünsche ich in freundschaftlicher Verbundenheit: Herzlichen Glückwunsch, mein alter Freund. Zu deiner Party komm ich trotzdem nicht.

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