Incubus – If Not Now, When?
18. Juli 2011
Von Ben Grosse-Siestrup
"Noch leicht verkatert vom Um-die-Häuser-Ziehen beschlossen wir, dass es nun höchste Zeit war, Songs für eine neue Platte zu schreiben." Brendan Boyd und Incubus verfassen unerwartet einen Liebesbrief an die Welt.

Ganz genau: Wenn nicht jetzt, wann dann? Ist ja auch inzwischen eher ruhig geworden um Incubus. Die Erfolgsalben Make Yourself, Morning View und Light Grenades liegen nun schon geraume Zeit zurück. Auch wenn die einzelnen Bandmitglieder sich mit Soloalben, Malerei oder Studium in Harvard zu beschäftigen wussten, ist 2010 das gemeinschaftliche Kribbeln ausgebrochen, das sie letztendlich wieder ins Studio trieb. Neu ist allerdings die Vorgehensweise: Anstatt sich mit vorher geschriebenen und ausgereiften Songs im Studio zu treffen um sie dort dann entsprechend zu arrangieren, haben sie einfach gleich alles in einem Rutsch erledigt. Songwriting, Arrangement und Aufnahme, alles ging Schlag auf Schlag. Vor Betreten des Studios war lediglich klar, dass If Not Now, When? anders wird. Insgeheim haben wir auf scharfe Riffs, drückende Basslinien und energetischen Gesang gehofft. Bekommen haben wir einen romantischen und musikalischen Liebesbrief.
Incubus: Die Band, die nicht mehr warten kann
Bild: Sony Music

Auch wenn der gleichnamige Opener "If Not Now, When" noch einen Moment darüber grübeln lässt, ob man nicht in einem Zustand anhaltender Verwirrtheit doch aus Versehen die letzte U2-Platte gekauft hat: Der Einsatz von Brendan Boyds Stimme verjagt die aufkeimenden Zweifel genauso schnell, wie sie gekommen sind. Trotzdem ist zu diesem Zeitpunkt ungewiss, ob man die neuen poppigen Incubus gut finden soll. Doch bereits die zweite Single-Auskopplung "Promises, Promises" macht deutlich, wohin die musikalische Reise gehen soll. Incubus haben das raue und distanzierte Alternative-Gewand abgelegt und sich stattdessen in anschmiegsame Kaftans gehüllt. Es klingt nach Räucherstäbchen, Tee und Yoga – In sich gereifte Balance und Gelassenheit, die schnelllebige Außenwelt für einen Moment ausgesperrt. Musikalisch drückt sich das in traumhaft verschnörkelter Melodieverliebtheit aus. Könnt man doch nur seinen (altmodischen) Wecker dazu überreden Songs wie "Isadore" und "The Original" im allmorgendlichen Weck-Kampf zu verwenden. Das Aufwachgefühl wäre ein melodiöses Erlebnis und Erfindungen wie der Snooze-Button überflüssig. Ungestüme Momente sind auf "In Not Now, When" dagegen rar gesät und höchstens in "Switch Blade" oder der ersten Single "Adolescents" wiederzuentdecken. Mit Hits, wie sie die Band zu damaligen Hochzeiten gezaubert hat ("Megalomaniac", "Nice To Know You" und "Wish You Were Here") können aber auch diese zwei Kandidaten nicht mithalten.
Trotz simplerer Songstrukturen haben Incubus die atemberaubende Klarheit der Instrumentierung beibehalten. Groovende Basslinien selbst in den ruhigen Stücken, akzentuiertes Schlagzeug und darüber Michael Einzigers bedächtige und vor Verliebtheit tanzende Gitarre. Alles andere als ein Soundbrei, bei dem es Mühe bereitet, einzelne Komponenten auseinander zu halten. Nach Light Grenades (2006) sind Incubus einfacher (und bodenständiger) geworden, haben Chris Kilmore vom Turntablist zum Keyboarder umerzogen und ihren Fokus auf die Welt neu ausgerichtet. Dunkel, unerwartet romantisch und nur selten langweilig.
PS: Auf www.enjoyincubus.com kann man in Gestalt der Bandmitglieder im s-bit Computerspiel "Incubattle" bösen Musikpiraten auf die Fresse hauen – zu den Tönen eines ins Midi-Format gepressten "Promises, Promises". Nettes, kurzweiliges Gimmick, doch die bösen Piraten wird das wohl in Zukunft auch nicht aufhalten.
Incubattle: Zocken für das Urheberrecht - Yeah!
Bild: Sony Music

Interpret: Incubus
Albumtitel: Incubus – If Not Now, When?
Erscheinungsdatum: 18. Juli 2011
Label: Epic Records/Sony Music
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