Ein friedlicher Tag mit 21 Leichen
24. Juli 2011
Von Anna Neifer
In diesen Tagen jährt sich die Duisburger Loveparade, bei der in einer Massenpanik 21 Menschen starben. Warum ist das passiert? Wer hat Schuld? Fragen, die nach wie vor ungeklärt sind. Anna Neifer erinnert sich zurück an den Tag des Unglücks.
Gedenktafel - Duisburg erinnert an 21 sinnlose Tode
Bild: Anna Neifer/TONIC

13:47 Uhr
Noch bevor wir das Gelände betreten, stehen wir im Gedränge. Die Polizei hat die Wege vom Duisburger Hauptbahnhof bis zum alten Güterbahnhof abgesperrt, alle, die zur Loveparade wollen, laufen den selben vorgegebenen Weg. An der Karl-Lehr-Straße stauen sich die Menschen. Es liegen Gitter und Flaschen auf dem Boden. Die Leute um uns sind betrunken und quetschen sich voran. Nur einen Meter neben mir sehe ich einen Typen, vielleicht achtzehn Jahre alt. Sein Gesicht ist bläulich angelaufen, seine Augen sind halb geschlossen, er kann sich nicht mehr auf den Beinen halten. Ich will meinen Arm ausstrecken, kann mich im Gedränge aber nicht befreien. Er übergibt sich, spuckt es irgendwo zwischen die sich bewegende Masse von Menschen, die ihn wegschwemmt.
14:12 Uhr
Endlich haben wir den Einlass passiert. Man darf nur einzeln durch die Passierschranken, deswegen dauert es so lange. Alles wirkt sehr chaotisch. Leute in babyblauen XL-Shirts geben Anweisungen, die keiner hört. Das sind wahrscheinlich Ordner, aber es hat nicht den Anschein, als wären sie Herr der Lage.
14:18 Uhr
Wir betreten den Tunnel, der uns auf das Gelände der Loveparade führt. Wir hören schon die Musik wummern. Der Tunnel ist vielleicht drei bis vier Meter hoch und schlecht beleuchtet. Mit uns laufen etwa vierhundert andere Menschen den Weg entlang. Noch ist Platz genug, aber manche schreien und grölen betrunken, es hallt unablässig von den niedrigen Wänden. Wir haben ein mulmiges Gefühl, hier sollen eine Million Menschen durchgeschleust werden?
14:45 Uhr
Als wir die Rampe hoch und auf das Gelände laufen, wundern wir uns: Der Boden besteht nur aus Kies und Schotter. Wir haben alle feste Schuhe an, aber sehen genug Leute mit Sandalen und Flip-Flops. Der Besucherstrom wird von der Rampe geradewegs in die im Kreis fahrenden Floats gelenkt. Es gibt keine Ordner, die uns anweisen weiter zu gehen – und erst mal angelangt stehen wir orientierungslos herum. Der große Schotterplatz um den Güterbahnhof ist noch ziemlich leer.
16:03 Uhr
Wir sind vor der Hauptbühne angelangt. Das DJ-Pult steht hoch über unseren Köpfen im Gebäude des alten Güterbahnhofs. Die Musik dröhnt über den Platz und der DJ wippt im Takt mit. Die Stimmung ist ausgelassen, die Leute tanzen unter freiem Himmel, die Sonne scheint.
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Marcos DuarteAm 24. Juli 2011
Wow, das verlinkte Video ist sehr.. bizarr. Gibt's davon auch die Langversion?
AnnaAm 30. Juli 2011
Die Langversion gibt es evtl. bald im Fernsehen zu sehen, bei mehr Infos sind die auf jeden Fall auch hier zu finden ;)