Vom Vorlesungsverweigerer zum Unternehmensberater
16. Juni 2011
Von Anna Mayr
Trotz der Bologna-Reform studierte Ole W., wie er es wollte. Praktika, Ausland, Vorlesungen schwänzen. Und jetzt hat er den Job, von dem alle BWL-Streber träumen.
Entspannt durchs Studium
Bild: Privat

Die Stadt Bologna kann nichts dafür, dass ihr Name aus den Mündern von deutschen Studenten wie ein Schimpfwort klingt. Das liegt daran, dass hier beschlossen wurde, das Studium europaweit zu vereinheitlichen. Und nun ist es so ziemlich geschehen um Diplom und Magister. Wer heutzutage studiert, wird Bachelor und im besten Falle Master – klingt hip, ist es aber nicht.
Pflichtseminare, Vollzeitstudium, Riesenlernaufwand. Mit diesen Begriffen werfen Studenten gerne um sich, wenn sie über die Verschulung des Studiums reden und um ihre kümmerliche Menge an Freizeit trauern. Denn so viel Leben scheint nicht mehr in die strikten Stundenpläne zu passen – jobben und Engagement in anderen Bereichen sieht die Bologna-Erklärung nicht vor.
Auch Ole W. ist einer von den "Bachelors". Nach seinem Abitur fing er direkt an, zu studieren. Jura und Sinologie sollten es sein, weil er Chinesisch bereits an seinem Gymnasium belegt hatte – im ersten Chinesisch-Kurs an einer staatlichen Schule NRWs. Nach einem Semester Studium kam dann die Erkenntnis: "Jura war einfach nichts für mich. Dann habe ich mich erkundigt, was man noch machen kann." So kam es zu BWL gepaart mit Sinologie. Ole hätte eine Menge Lernstoff, schleppende Seminare und Zeitverschwendung in Vorlesungen haben können. Er entschied sich für das Gegenteil.
"Anfangs bin ich noch zu den Vorlesungen gegangen. Aber nach ein paar Wochen habe ich mir einfach die Materialien online herunter geladen und selber gelernt", erzählt er. Das entspricht wohl auch eher seinem Lerntyp: "Ich muss Sachen selber sehen und selber machen. Wenn der Dozent vorne steht und erzählt, bringt mir das nicht viel."
Und so blieb der junge Student oft auch mal länger seinem Studienort fern und brachte sich autodidaktisch genug bei, um seine Prüfungen zu bestehen.
Aber was macht man denn den lieben langen Tag, wenn die Vorlesungen egal, der Stoff für die Prüfung im Internet abrufbar und die Kommilitonen ebenfalls zeitlich flexibel sind?
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philippAm 17. Juni 2011
Ist doch genau das, was Bologna bringen sollte: karriere-orientierte Durchstarter mit Studium am besten unter Regelstudienzeit
AnnaAm 20. Juni 2011
So ist es. Aber das ist ja nichts schlechtes, solange man sich eben nicht unter den Leistungsdruck von Bologna stellen lässt.
FabianAm 18. Juni 2011
Stimmt, alles super - so war es sicher nicht gedacht, ihr Ziel haben sie trotzdem erreicht.
Jan-NiklasAm 19. Juni 2011
Ich finde ohnehin, dass es ein Problem vieler Lehrer, Profs und Dozenten ist, die Dinge bierernst zu nehmen. Als wäre eine formelle Berufsausbildung, bzw. ein Studium der relevante Inhalt des Lebens. Wer verkrampft rangeht, verliert. Der hat dann vielleicht ein Diplom im Nachtschränkchen, aber wenig authentische Lockerheit im Kopf...
FabianAm 19. Juni 2011
Das hört sich nach "Arbeiten (lernen) um zu leben, nicht leben, um zu arbeiten (lernen)" an. oder meinst du was anderes mit der authentischen Lockerheit?