Stefan, dreizehn, obdachlos
1. Juni 2011
Von Tobias Gafus
Er schlägt dann zu: Mit der Faust, ins Gesicht. Hemmungen hat er keine, oft steht er unter dem Einfluss von Drogen. Auch blutige Auseinandersetzungen mit "Glatzen", wie Stefan die Neonazis nennt, gibt es oft und werden in aller Regel von beiden Seiten provoziert, ja sogar richtig herbeigesehnt. Einmal – Stefan ist noch nicht lange in Berlin – sitzt er spätnachts mit einem guten Dutzend seiner Freunde in einer bekannten Punkkneipe, als plötzlich die Tür aufgeht: Glatzen, Springerstiefel, Bomberjacken. Fünf Nazis gegen die dreifache Menge Punks. Es folgt ein "Sieg Heil!", das mit einer halbvollen Bierflasche beantwortet wird. Kurz darauf kommt die Polizei. Die Punks müssen geschlossen auf die Wache, die Rechten ins Krankenhaus.
Stefan in seiner neuen Wohnung - eine Punker-WG...
Bild: Bernd Möller

Beileibe nicht Stefans letzter Kontakt mit der Polizei: Nur wenige Tage nach der Schlägerei wird er wieder aufgegriffen. Es ist spätnachts, die Clique war auf einem Konzert, alle sind betrunken und streunen auf der Suche nach einem Schlafplatz ziellos durch die Straßen. Laut grölend lassen sie sich schließlich an einer Bushaltestelle nieder. Nach kurzer Zeit taucht ein Streifenwagen auf, wohl um die Punks zur Räson zu bringen. Als sie Stefan sehen, nehmen sie ihn sofort mit auf die Wache. Doch der Dreizehnjährige hat vorgesorgt: Er trägt immer einen Zettel bei sich, auf dem steht, dass seine Eltern die Aufsichtspflicht auf einen seiner älteren Freunde übertragen. Natürlich haben seine Eltern diesen Zettel noch nie gesehen.
Die Polizisten rufen am nächsten Tag auch bei seinem Vater an. "Mir doch scheißegal, wo sich der Bengel wieder rumtreibt!", meint der und legt auf. Kurz darauf ist Stefan wieder frei und kehrt mit seiner "Aufsichtsperson" zu seinen Freunden und seinem gewohnten Alltag zurück. Das heißt ziellos in den Tag leben, wenn nötig betteln und abends mit den Freunden weggehen.
Texte, die dich auch interessieren könnten.
MonaAm 3. Juni 2011
Das kenn ich doch irgendwoher ;-)
Aber der Artikel ist (immernoch) richtig super!