Stefan, dreizehn, obdachlos
1. Juni 2011
Von Tobias Gafus
13 Jahre – Der Alltag besteht aus Fußball, Fernsehen und lästigen Hausaufgaben. Bei Stefan ist das anders, denn sein Vater hat ihn rausgeworfen. Jetzt hat er ganz andere Probleme: Wo soll er schlafen, woher kann er sich sein Mittagessen beschaffen und wie kommt er an den nächsten Joint?
Stefan heute - alter Look, neue Einstellung.
Bild: Bernd Möller

Stefan ist zu früh. Während seine Klassenkameraden noch die Schulbank drücken, sitzt er zu Hause vor dem Fernseher. Wieder mal. Das letzte Mal. Heute hat sein Vater genug, diesmal wird es Konsequenzen geben.
Stefan ist zwölf, als sich seine Eltern scheiden lassen, ein Erlebnis, das ihn völlig aus der Bahn wirft. Er raucht, trinkt und fängt an zu kiffen. Die Schule verliert an Bedeutung, wird völlig unwichtig. Stefan kommt und geht, wann er will, die Noten werden schlechter. Dem Dreizehnjährigen ist das egal. Seinem Vater nicht, immer wieder gibt es Streit. Und trotzdem geht Stefan auch heute wieder nach der zweiten Stunde von der Schule nach Hause. Es ist ihm klar, dass sein Vater irgendwann hart durchgreifen wird. "RAUS! UND DU BRAUCHST GAR NICHT WIEDERKOMMEN!" Als ihm sein Vater das an jenem Tag entgegenschreit, ist er nicht sonderlich überrascht oder gar traurig, sondern wütend, einfach nur wütend. Sparschwein schlachten, knapp 160 DM, Rucksack auf, zwei Hosen, einen Pullover und zwei T-Shirts. Und raus. Zu seiner Mutter zu gehen, die das Erdgeschoss des gemeinsamen Hauses bewohnt, ist auch keine Option. Stefan möchte einfach nur weglaufen, die Eltern mit ihrem Streit hinter sich lassen und endlich so leben können, wie er will: frei und ungebunden.
Da steht er nun auf der Straße. Er allein mit seiner Wut. Ein Kind, am ganzen Leib zitternd, das langsam begreift: Ich bin obdachlos – mit 13. Er steigt in den nächsten Zug und fährt mit, ohne zu wissen, wohin die Reise geht, bis er beim Schaffner ein Ticket löst: Berlin! Seine Familie, seine Freunde, sein ganzes Leben lässt er in Dresden zurück. Sobald er angekommen ist, ruft er einen ehemaligen Schulfreund an, der vor einiger Zeit mit seinen Eltern in die Hauptstadt gezogen ist, und fragt, ob er dort übernachten kann. "Klar, kein Problem." Der Kumpel ist ein Punk und nimmt Stefan mit zu seinen Freunden, die zum Großteil ebenfalls obdachlos sind. Stefans erster Kontakt zur "Szene" beginnt mit einem Bier, weitere folgen im Lauf des Tages. Er fühlt sich wohl und unternimmt immer öfter was mit seinen neuen Bekannten, geht auf Konzerte, in die Kneipe oder sitzt mit ihnen einfach in der Fußgängerzone rum.
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MonaAm 3. Juni 2011
Das kenn ich doch irgendwoher ;-)
Aber der Artikel ist (immernoch) richtig super!