Ford & Lopatin – Channel Pressure
1. Juni 2011
Von Ben Grosse-Siestrup
Mit "Channel Pressure (Mexican Summer)” holt das Elektroduo die Sounds der 80er galant ins 21. Jahrhundert. Unsere Platte der Woche von FORD & LOPATIN.

Bereits in der sechsten Klasse haben die beiden Lausebengel Daniel Lopatin und Joel Ford es geschafft, ihre Kreativität beim gemeinsamen Gestalten von fiktiven Albumcovern auszuleben und zu verbinden. Experimentierfreude und die Jazz-Fusion-Tapes von Daniels Vater (u.a. Mahavishnu Orchestra) waren Jahre später maßgeblich dafür verantwortlich, dass aus Ford (Ex-Tigercity) und Lopatin (Ex-Oneohtrix Point Never) schließlich das 80s- Synth- Duo Games wurde. Nachdem das Management von Rapper Game lächerlicherweise auf Namensgleichheit geklagt hat, operieren die beiden Klangtüftler unter "Ford & Lopatin". Veröffentlicht auf eigenem Mini-Label (Mexican Summer) ist Channel Pressure entzückendes Debüt, experimentelles Konzeptalbum und gehaltvolle Elektro-Oper in einem.
Die Story dieser Oper ist simpel: Wir schreiben das Jahr 2082. Unter dem Kommando von Supercomputer The System II haben sich Roboter auf der Erde breit gemacht und sich Hollywood und die Musikindustrie einverleibt. Eine zwinkernde Hommage an den Film Terminator? Sicherlich, aber im Gegensatz zu Regisseur James Cameron beschreibt Ford & Lopatins Debütalbum eine Zukunftsphantasie, in der das gemeinsame Alter Ego Joey Rogers seine Jugendzeit Mitte der 80er reflektiert: Erste Computer- und Konsolenmodelle, Küchengeräte und damals angesagte Popmusik, Ford & Lopatin experimentierten mit allem, was ihnen in die Finger kam. Dominant sind folglich sphärische Klänge, Space Disco, verzerrte Vocals und Synthesizer – ein Sound-Mosaik.
Vervollständigt wird dieses Bild durch Soundvisionär und Produzent Prefuse 73, der mit Erfahrung und Enthusiasmus den Mischprozess leitete.
Das Duo Ford & Lopatin

Gleich vom Opener an orientiert sich Channel Pressure an funkigen und poppigen Basslinien, prahlt mit häufigen Breaks und Sprüngen, kühlt aber gleichzeitig durch seichte Ambientsounds. Eine knapp 40-minütige glitchige Achterbahnfahrt, bei der exzessiv verzerrte Stimmen ("The Voices") und soullastige Drumcomputer zusätzlich Dancefloorhits transportieren. Mal schwülstig ("World of Regret"), mal hitverdächtig ("I Surrender" und "Voices"), aber egal um welche synthetische Ausschweifung oder Übertreibung es geht, das Kunstwerk von Ford & Lopatin bleibt souverän genug, die Grenze zur grotesken Farce nicht zu überschreiten. Etwas ironisch entschuldigt sich das Duo pro forma in "Too Much MIDI Please Forgive Me” dann trotzdem nochmal für den vorbehaltlosen Einsatz von MIDI-Effekten.
Aktuelle Renaissance der funkelnden 80er hin oder her, mangelndes Trendbewusstsein kann man Ford & Lopatin nicht vorwerfen:
Channel Pressure ist bei weitem keine plumpe oder gar kitschige Imitation verblichener Soundeskapaden, derer man sich heute teilweise schämen müsste, sondern eine ambitionierte Interpretation. Die "Hits" der 80er treffen mit Inbrunst und Charme auf das Beste, was Elektronik im 21. Jahrhundert zu bieten hat.
Interpret: Ford & Lopatin
Albumtitel: Channel Pressure
Erscheinungsdatum: 3. Juni 2011
Label: Mexican Summer
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