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Für *Winterkinder

Bon Iver – Bon Iver

13. Juni 2011
Von Ben Grosse-Siestrup

Ben aus Essen ist Autor bei TONIC

Texte von Ben
autor@tonic-magazin.de

Platzhalter

Ein Waldschrat mit Goldkehlchen, oder wie Justin Vernon als Bon Iver bibbernd seine Heimat und die Jahreszeiten besingt…

Zu einer Zeit, in der musikalische Neuveröffentlichungen wieder nach Vogelgezwitscher, Blumen und Eiscreme schmecken, schlägt Justin Vernon alias Bon Iver eine tiefe Schneise in den allzu seichten und poppigen Soundtrack dieser Jahreszeit. Kontrastreich zieht er uns mit seinem neuen Album Bon Iver mit beiden Armen sechs Monate zurück in eine bedächtigere Jahreszeit. Hier ist noch tiefster Winter und es ist bitterkalt. Man sieht und spürt den eigenen Atem in der frischen Luft. Mit Andacht und Bodenständigkeit lässt er uns wahrhaftig teilhaben an einer sinnlichen Reise die ihn durch reale, fiktive und hybride Orte führt, nur um am Ende in seiner Heimat Wisconsin zu landen. Sie ist gleichzeitig auch der Ursprungsort. Dort, wo alles begann und dort, wo alles weitergeht. Eine romantische Liebeserklärung an das Haus seiner Kindheit, die Bar, in der seine Eltern sich einst trafen, und sein neu eingerichtetes April Base Studio, das parallel zu den Aufnahmen gewachsen und nun fertiggestellt ist, alles liegt in Reichweite.

Der Sänger Bon Iver

Der Sänger Bon Iver

Nach seinem Debüt For Emma, Forever Ago (2008), das selbst Kanye West und Peter Gabriel aufhorchen ließ und sie zu erklärten Fans machte, ist Bon Iver ebenfalls in der Wildnis Wisconsins entstanden. Einsamkeit und Abgeschiedenheit scheinen dem Romantiker Justin Vernon gut zu bekommen. Diente der Winter hier etwa als Equalizer? Die engelsgleiche Stimme Vernons ist auch auf seinem zweiten Werk so unique und so eindeutig zu identifizieren, dass gelegentliche elektronische Verzerrung keinen großen Schaden anrichtet. Über Leben, Tod und die Jahreszeiten, also den Zyklus des Lebens, sinnierend startet die Reise des Albums in "Perth". Dies geschieht mit Zurückhaltung und verhaltenem Gitarrenpicking, kurz bevor die markante Stimme von künstlichem Chor begleitet schüchtern aus der Deckung tritt. Begleitet von fulminanten Melodiekonstruktionen, ein erster Höhepunkt. Sein Weg führt ihn weiter über das knarzende "Minnesota, Wi" und die erste Singleauskopplung "Calgary" zum finalen "Beth/Rest", in dem mit hallendem Keyboard, gitarreske Bon Jovi- Balladen- Atmosphäre und Saxophon nochmal alles aufgefahren wird. Eine Hymne an die Freiheit, die Weite, den Weg und das Leben. Ob Justin Vernon wusste, wohin ihn "Bon Iver" führen würde? Nein, denn Bon Iver ist kein Bandname sondern "it´s an opportunity to grow and not know what the future is”. Wie sollte er also?

Für Folk-liebende Freunde von Mumford and Sons: Die Emotionalität und Unkompliziertheit des Sounds, der letztlich auch Marcus Mumford und die Seinen auszeichnet, ist auch auf Bon Iver omnipräsent. Aus der Einöde Wisconsins und des mittleren Westens entrissene Country- und Folkelemente, die im Gegensatz zum prolligen Südstaatenstil naturbelassener und abgeklärter sind, treffen auf unterschwellig arrangierte elektronische Effekte. Sei es der kitschig-künstliche Hall des Keyboards oder die stimmliche Verfremdung. Nach Kollaborationen mit Kanye West, Intermezzos mit dem Volcano Choir oder dem Kollektiv Gayngs ist Bon Iver nach 3 Jahren wieder da. Erklärt bodenständig und romantisch, dürfte auch sein zweites Werk das Potential haben uns selbst im Hochsommer noch zu verzaubern. Bitte nicht zu leise hören!

 

Interpret: Bon Iver

Albumtitel: Bon Iver

Erscheinungsdatum: 17. Juni 2011

Label: JagJaguwar, 4AD


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Kommentare

JohannesAm 14. Juni 2011

100 Daumen hoch!